Kartoffel inaktiv, Kartoffel langweilig sein tun.
Diese Grätsche. Immer wieder ging mir das durch den Kopf. Direkt in meine Achillessehne. Warum? Was hatte ich Ivan nur getan? Zum Glück blieb ich damals ruhig, sonst wäre das ganz ekelhaft geworden. Ich stand im Spielertunnel, neben mir, Ivan. Keine Blicke. Nur kalte Stille. Ich hatte fest vor, ihm die Meisterschaft zu ruinieren. Dieses Spiel, das wärs gewesen. Nicht ganz, aber es wäre ein direkter Schuss. Mit Wut spielte es sich gut. Aggressiv, aber gut. Wir triumphierten 3:0 und Ivans Blick war für mich unbezahlbar. Das wäre der perfekte Ausgang. Ich würde ihn auch foulen, würde ich wirklich. Aber war ich mir nicht wichtiger als er?
Damals ließ ich mich bei ihm leider nur durch meine Wut leiten.
Vor dem Spiel stand, wie immer, einer dieser beknackten Arzttermine, wie seit meiner Kindheit an. Zum Kotzen. Wirklich. Der Arzt laberte wieder irgendnen Müll, den eh keiner versteht. Meine Gedanken waren sowieso nur bei der Rückrunde und dem DFB Pokal. Ich wollte beides gewinnen.
Zwischen Ivan und mir war es ein Kopf an Kopf Rennen. Torschütze und Vorleger. Wir waren immer dicht an dicht.
Ich wusste, dass dieses Spiel mehr war als nur ein Kampf um drei Punkte. Es war Ivan gegen mich. Wieder einmal. Ein weiteres Kapitel in unserer unausgesprochenen Fehde. Der erste Blickkontakt im Spielertunnel dauerte nicht länger als eine Sekunde, doch es reichte. Er war anders. Seine Augen hatten diesen leeren, kalten Ausdruck. Irgendwas war iert. Doch ganz ehrlich? Es interessierte mich nicht.
Als wir raus auf den Platz liefen, war ich bereit. Die Fans in der Frankfurter Kurve brüllten meinen Namen. Ich spürte die Energie in mir aufsteigen. Wir mussten dieses Spiel gewinnen. Nicht nur wegen der Tabelle, sondern wegen mir. Ich wollte ihn besiegen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich der Bessere war.
Anpfiff.
Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich meine erste Chance hatte. Ein langer Ball von unserem Sechser, ich nahm ihn mit der Brust runter, ein schneller Haken, Abschluss! Pfosten. Mist. Ich biss die Zähne zusammen. Ivan schaute kurz zu mir rüber, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Spöttisch. Provokant.
Dann kam seine Szene. Ein langer Ball auf ihn, eins gegen eins gegen unseren Innenverteidiger, ein Übersteiger, noch einer, und dann dieser unhaltbare Schuss ins lange Eck. Tor. RB Leipzig führte. Ivan rannte zur Seitenlinie, riss sich das Trikot hoch und schlug sich auf die Brust. Die ganze Zeit über hielt er Blickkontakt mit mir. Er wollte mich provozieren, mich brechen.
Aber das funktionierte nicht.
Ich kann nicht genau erklären, was dann in mir vorging, aber es war, als hätte mich sein Tor nur noch mehr angestachelt. Ich spürte, wie mein Herz raste, wie mein Körper Adrenalin durchflutete.
20. Minute. Ich bekam den Ball am Strafraumrand, ein schneller Doppel mit unserem Zehner, und dann haute ich das Ding per Volley in den Winkel. Ich drehte mich um, lief an Ivan vorbei und zeigte mit beiden Fingern auf mein Vereinslogo. Das hier war meine Stadt. Mein Verein. Mein Zuhause.
1:1.
Von da an wurde das Spiel ein einziges Chaos. Härte, Fouls, Wortgefechte. Einmal standen Ivan und ich uns Stirn an Stirn gegenüber, beide mit zusammengebissenen Zähnen, beide voller Wut. Der Schiedsrichter musste uns trennen.
Die zweite Halbzeit begann genauso intensiv. Wir schenkten uns nichts. Ivan holte sich Gelb nach einem brutalen Tritt gegen unseren Kapitän. Ich hätte schwören können, dass er das mit Absicht getan hat. Ein paar Minuten später wurde ich im Strafraum gelegt, Elfmeter! Ich schnappte mir den Ball, stellte ihn auf den Punkt. Ich hörte das Pfeifkonzert der Leipziger Fans, aber es war mir egal.
Ich lief an. Schuss. Tor.
Ich feierte nicht. Ich drehte mich nur um und schaute Ivan direkt in die Augen. Sein Gesichtsausdruck? Nichts. Leer. Kein Hass, keine Wut. Einfach…
nichts.
Kurz vor Schluss hatte er dann noch eine große Chance, aber unser Torwart hielt seinen Schuss sensationell. Abpfiff. 2:1 für uns. Ich ballte die Fäuste und ließ mich von den Fans feiern.
Als ich in den Spielertunnel ging, sah ich Ivan wieder. Diesmal sah er mich an. Lange. Dann drehte er sich wortlos um und verschwand in der Kabine.
Ich hätte mich zufrieden fühlen sollen. Ich hatte gewonnen. Aber irgendwas ließ mich nicht los. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Und vielleicht, nur vielleicht, hatte ich ihn immer falsch eingeschätzt.
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